Home, sweet home office...
Die Frage: „Was ziehe ich an?“, quält mich morgens nicht mehr und auch nicht die Frage, wie ich den Konflikt mit der nervigen Kollegin löse, mit ihren unterschwellig bissigen Kommentaren, zu denen ich bisher geschwiegen habe. Oft bin ich nachts wach gelegen und habe mir überlegt: „Soll ich sie darauf ansprechen?“, „Soll ich auch böse zu ihr sein?“, „Soll ich den Vorgesetzten einbeziehen?“ oder „Soll ich sie weiter ignorieren?“. „Wird sie ihr Verhalten mir gegenüber jemals ändern?“
Das mulmige Gefühl am Weg zur Arbeit spare ich mir jetzt. Der Lock-Down hatte auch gute Seiten. Statt des ungut summenden Weckers oder eines frühen Rettungseinsatzes, am Weg ins Franz-Joseph-Spital, weckt mich jetzt der, fast ebenso eindringliche, doch lieblich, helle Gesang einer Amsel, am Baum, vor meinem Fenster; gegen 08.00 Uhr, wenn ich schon ausgeschlafen bin. Und das rhythmische Plätschern des Grünaubaches, je nach Wasserstand.
Innerhalb weniger Minuten habe ich verstanden, was ich zu tun habe, als Sebastian Kurz, am 06. März 2020, in einer ORF-Sondersendung angekündigt hat, dass ein Lock-Down am Montag unausweichlich sein wird. Schnell habe ich, die nötigsten Sachen gepackt, den Strom abgedreht, die Hunde ins Auto geladen und Wien, mit seiner schlechten Luft und all dem Lärm, ohne Reue, noch an diesem Freitag Mittag verlassen.
Der nette Plausch in der Kaffee-Küche fehlt mir nicht, denn er war nie wirklich nett und richtig Zeit dafür war auch nie. Die erste Morgen-Stunde, zwischen 8.00 bis 9.00 Uhr, genieße ich jetzt mit einer Tasse echtem Bohnenkaffee. Das „Geschlodere“ aus dem Kaffeeautomaten im Büro muss ich nicht mehr trinken. Das dumme Geschwätz der Kollegen nicht mehr hören.
Die Hunde haben ihr Geschäft schon verrichtet und alle Katzen sind gefüttert, wenn ich den Tag, gut gelaunt und unbeschwert, an meinem geliebten Schreibtisch beginne, meine Mails abrufe, wissend, dass keines dabei sein kann, das mir einen dringenden Termin abverlangt.
Huch! Das Mail vom Chef hätte ich fast übersehen. Die böse Kollegin, die auch beim Kaffee-Plausch nie wirklich nett war, wurde gekündigt. Mangelnde Auftragslage wegen Corona. So löst sich manches Problem ganz von allein. Die Frage, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll, muss ich mir nie wieder stellen. Und auch Corona wird eines Tages Geschichte sein. Bleiben wird nur die quälende Frage am Morgen: „Was ziehe ich heute nur an?“
Von Claudia Miglbauer