Informationen zur Printaufgabe Porträt
Aufgabenstellung
Wählen Sie eine Tages- oder Wochenzeitung bzw. ein Montasmagazin, von dem Sie annehmen, dass Ihr Porträt dort veröffentlicht werden könnte und benennen Sie dieses Medium. Wählen Sie für das Porträt eine Person aus, die zum einen für Ihr gewähltes Medium und zum anderen für die Leserinnen und Leser dieses Mediums von Interesse sein könnte.
Umfang
3.000 bis 3.500 Zeichen (= Zeichen mit Leerzeichen) sowie ein frei gewählter Titel.
Form
Jede Seite beginnt am linken oberen Rand der Kopfzeile mit Ihrem Vor- und Zunamen und der Seitenzahl. Format: 1,5 Zeilenabstand, Schriftgröße 12 (Times New Roman).
Anleitung zum Porträt
Das Porträt hat zum Ziel, eine Person oder Gruppe von öffentlichem Interesse unverwechselbar und in möglichst vielen Facetten zu charakterisieren.
Es kann sich dabei um Prominente oder auch um „Helden des Alltags“ handeln, deren Wirken öffentlich gewürdigt werden soll. Meist werden Porträts aus aktuellem Anlass und ergänzend zur sonstigen Berichterstattung eingesetzt.
Ein Porträt sollte aus biographischen Fakten zur Person bestehen (Alter, Beruf, Familie, Lebensweg, etc.) und aktuelle Begebenheiten schildern. Eine bloße Aufzählung von Lebensdaten ergibt noch kein Porträt!
Journalist:innen zeichnen vielmehr ein Charakterbild eines Menschen mit seinen
Stärken, Schwächen, Ansichten, Motiven, Taten, Visionen, Freuden, Problemen, Hoffnungen, Zweifeln, Erfolgen, Niederlagen, mit seiner Vergangenheit und seinen Plänen.
Recherche
Besonders wichtig ist die gründliche Recherche zur Person in Archiven, im Internet und vor allem im persönlichen Gespräch. Von Freunden und Feinden kann man wichtige Informationen bekommen, ev. Anekdoten, die ihn oder sie charakterisieren. Und natürlich: das Gespräch mit der porträtierten Person! Wichtige Aussagen wörtlich notieren; und später zitieren!
Stilistisch ähnelt das Porträt einer Reportage. Auch hier soll durch Original-Töne (O-Töne), Detailgenauigkeit, ausdrucksstarke Wortwahl, Präsens, inhaltliche Gegensätze, Perspektivenwechsel etc. Spannung aufgebaut und Nähe erzeugt werden, z.B. durch die Beschreibung der körperlichen Erscheinung, der Gestik oder Mimik und der Wohnung, des Büros etc.
Beispiel
ÜBER DIE GRAUE WELT EINES INSEKTENFORSCHERS
Georg Derbuch ist Insektenforscher und brennt für die Natur. Seine Forschungsobjekte kann er allerdings nie in ihrer wahrhaftigen Farbenpracht sehen, denn der Biologe besitzt eine Rot-Grün-Sehschwäche. Ohne sattem Grün und knalligem Rot sieht seine Welt ganz anders aus.
Stiefel, Cargohose, beigefarbenes Hemd, darüber ein grünes Gilet mit zahlreichen Taschen, schlabbriger Safarihut, Kescher in der einen und Becherlupe in der anderen Hand: So stellen wir uns einen Insektenforscher vor. Auf Georg Derbuch trifft dieses Bild nicht zu. Der 52-Jährige erscheint zum Interview in grauem T-Shirt und dunkler Jeans. Ohne Kescher, ohne Becherlupe. Das liegt daran, dass die Objekte seiner Forschungsbegierde Ende Jänner als Ei im Boden vergraben, in Pflanzenstängel versteckt oder an Blätter angeheftet den Winter überdauern müssen.
Vom Heiligen zum Biologen
Heuschrecken durchlaufen mehrere Entwicklungsstadien, bis ihr Zirpen kilometerweit von Bäumen und Wiesen zu hören ist. Diese sommerlichen Heuschreckenkonzerte haben Derbuch bereits als kleiner Junge beeindruckt. Die Faszination und Leidenschaft für die Natur wurden dem gebürtigen Klagenfurter regelrecht in die Wiege gelegt. Mit seinem Vater, einem naturbegeisterten Jäger, hat er unzählige Stunden auf der Pirsch im Wald verbracht. „Über meinen Vater habe ich die Liebe zur Natur kennengelernt“, erzählt der Insektenforscher mit weicher Stimme. Dass er einmal Biologie studieren werde, war früh klar: „Wie ich, als ich ganz klein war, gefragt worden bin, was ich werden möchte, war meine Antwort: „Heilig“, schmunzelt Derbuch. „Das habe ich nicht ganz geschafft, aber direkt nach dem Heiligwerden wollte ich schon damals Biologe werden.“ Mit achtzehn Jahren verließ Derbuch Klagenfurt und begann das Studium der Biologie an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Seitdem lebt der selbsternannte Jungsteirer in seinem Wahlbundesland. Über seine Diplomarbeit hat er zu seiner alten Liebe, den Heuschrecken, zurückgefunden. Nicht ganz 150 Heuschreckenarten seien in Österreich vertreten. „Die Tiergruppe ist relativ überschaubar, was meiner Faulheit entgegengekommen ist“, lacht Derbuch herzhaft. Er habe unterschätzt, wie vielfältig sie dennoch ist. Blättert man durch einen Heuschreckenführer, erkennt man schnell, dass zahlreiche Vertreter der Laub- und Feldheuschrecken in ihrer Grundfärbung grün sind.
Graue Rosajacke
Derbuch, der von Geburt an eine Rot-Grün-Sehschwäche besitzt, nimmt die genannten Farben in verschiedenen Grauschattierungen wahr. Weniger als zehn Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen sind von diesem Defekt betroffen. Eine erfolgversprechende Therapie ist bislang noch nicht gefunden worden. Im Büro des Insektenforschers befindet sich in der Ecke ein Gymnastikball. Auf die Frage, welche Farbe der Ball habe, antwortet Derbuch wie aus der Pistole geschossen: „Grün!“. Auf Nachfrage verändert sich die selbstsichere Antwort in eine zaghafte Frage: „Grün?“ Der Ball ist tatsächlich grün. „Immer wenn ich von meiner Rot-Grün-Sehschwäche erzähle, zeigen mir Leute etwas, das irgendeine Farbe hat, und ich muss ihnen dann sagen, welche Farbe es ist. Manchmal habe ich Glück und es ist richtig, manchmal ist es falsch. Es ist immer ein bisschen Raten dabei“, verrät Derbuch gelassen. Seine Sehschwäche wurde lange Zeit vermutet, aber erst durch einen Sehtest beim Bundesheer bestätigt. Einschränkungen im Alltag erfährt Derbuch aufgrund des Defekts keine. Autofahren ist erlaubt, da er die kräftigen Signalfarben erkennen kann. Probleme gibt es bei Mischfarben, und das kann manchmal auch recht unangenehm sein: „In meiner Studentenzeit habe ich mir eine für mich wunderschöne Fleecejacke gekauft. Sie war grau meliert. Mir wurde gesagt, es sei eine grausliche Jacke. Es stellte sich dann heraus, dass die Jacke rosarot war“, lacht Derbuch.
Farbsehen ist subjektiv
Den Grauton, den Derbuch wahrnimmt, ordnet er einer Farbe zu. „Es ist nicht so, dass er für mich grau ist. Für mich ist er grün“, erklärt er. Es gäbe kein entweder grau oder grün. Es sei vielmehr ein mehr oder weniger. Das zeigt sich in den feinen Nuancen der Farbtöne. So war die scheinbar graue Melierung der Fleecejacke ein Resultat aus roten und rosa Farbtönen. „Wenn man den Menschen in Modegeschäften zuhört, wie sie über Farben diskutieren, dann glaube ich, dass das Farbsehen etwas sehr Individuelles ist. Ich falle aber mit meiner Rot-Grün-Sehschwäche schon ein bisschen heraus.“ Als Biologe, der seine Forschungsobjekte in grünen Wiesen sucht, ist diese Sehschwäche hingegen eine Besonderheit, denn Farben spielen bei der Bestimmung von Heuschrecken eine Rolle.
Kombinieren ist der Schlüssel
Trotz seiner Farbsehschwäche ist Derbuch als Insektenkundler für wissenschaftliche Arbeiten, Forschungsprojekte und faunistische Erhebungen für naturschutzfachliche Gutachten im Einsatz. Seine Sehschwäche stellt sich dabei nicht als Nachteil heraus: „Da kommt mir entgegen, dass es in der Insektenkunde nicht um ein einziges Bestimmungsmerkmal geht, sondern um Merkmalskombinationen“, verrät er. Trifft eine Merkmalskombination zu, könne Derbuch die Art unabhängig von ihrer Farbe bestimmen. Die Rot-Grün-Sehschwäche hat Derbuch nicht daran gehindert, seine Begeisterung und Liebe für die Natur zum Beruf zu machen. Seinen Beruf bezeichnet er als Traumjob, auch wenn er rund um die Uhr Biologe ist. „Wenn man einmal als Biologe unterwegs ist, dann ist man immer als Biologe unterwegs. Man hat dann einen Filter aufgesetzt, den man ganz schwer runterbekommt“, erzählt er mit strahlenden Augen. Bei Spaziergängen mit seiner Frau und den gemeinsamen Töchtern richte sich sein Blick auch immer wieder in die Wiesen oder Baumkronen. Die Faszination über die Schönheit der Natur und ihre spannenden Geschichten, die sich hinter jeder Pflanze und jedem Tier verbergen, hat sich Georg Derbuch aus seiner Kindheit bewahrt. Sobald der Biologe über Heuschrecken erzählt, leuchten nicht nur seine Augen, sondern sein ganzes Wesen.
© Katrin HORVATH (erschienen in: Kleine Zeitung, Juni 2021).